Trauma

Der Ausdruck Trauma (v. griech. τράυμα „Wunde“) bezeichnet in der Medizin eine Wunde, Verletzung oder Schädigung des Körpers. Ins Psychologische übertragen bedeutet Trauma die Konfrontation mit einem Ereignis, dem sich ein Mensch schutz- und hilflos ausgeliefert fühlt und bei dem die gewohnten Abwehrmechanismen und Verarbeitungsstrategien nicht ausreichen. Flucht oder Verteidigung sind in der traumatisierenden Situation nicht möglich oder führen nicht zu einem Nachlassen der Bedrohung.

Die traumatische Situation geht mit intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen einher. Die Reizüberflutung und -überwältigung sind so machtvoll, dass daraus nicht mehr kontrollierbare Angst entsteht. Sie bewirkt eine dauerhafte Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses und kann zu psychischen Erkrankungen führen.

Die im Krieg und unter politisch repressiven Verhältnissen erlittenen Traumata wirken weit über die Dauer des unmittelbar lebensbedrohlichen Ereignisses hinaus. Psychologisch bedeutet eine Traumatisierung eine tiefe Zäsur. Das gewohnte Leben, Werthaltungen und Lebenseinstellungen sind in Frage gestellt.

Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist die häufigste psychische Störung, die nach solchen Erfahrungen diagnostiziert wird. Bei Folter und Misshandlungen spricht man von „man-made disasters“, die, beispielsweise im Gegensatz zu Naturkatastrophen, psychisch immer als besonders schwerwiegend erlebt werden und an den Grundfesten der menschlichen Existenz rütteln. Folter ist für die Überlebenden die wohl folgenreichste gewaltsame Menschenrechtsverletzung. Die Häufigkeit der posttraumatischen Belastungserkrankungen liegt bei Folteropfern bei nahezu 100%. Weitere mögliche Folgeerkrankungen sind:

  • anhaltende Depressionen

  • Angststörungen

  • Panikattacken,

  • Zwangsverhalten,

  • Suchtverhalten,

  • psychogene Essstörungen,

  • starke körperliche Schmerzen und psychosomatische Erkrankungen.

Die Klient*innen von Hemayat leiden häufig an schweren posttraumatischen Belastungen infolge sequenzieller Traumatisierungen, also einer ganzen Kette von traumatisierenden Ereignissen, die nicht vergleichbar mit einem einzelnen Schockerlebnis sind (wie etwa mit einem Unfall). Der Erfahrung von Folter und Krieg gehen sehr oft Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und Bedrohung aufgrund politischer Anschauungen voraus. Die Flucht aus dem Heimatland muss überstürzt und ohne Abschied angetreten werden. Um nach Europa zu gelangen, riskieren viele Flüchtlinge ihr Leben.

Leider ist für Flüchtlinge das Martyrium mit der Ankunft in Österreich noch lange nicht zu Ende. Die Existenz als Asylwerber*in, Trennung von Angehörigen, die Bedrohung durch oder das Erleben von Schubhaft, die Angst vor Abschiebung und Unsicherheit über den Ausgang der oft Jahre andauernden Asylverfahren stellen weitere schwere Belastungen dar. Indem die erlittenen Schrecken immer wieder in Erinnerung gerufen werden, kommt es zu Retraumatisierungen, aber auch zu neuen Verletzungen.

Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine seelische Verletzung, die sich nach dem Erleben oder Beobachten eines traumatischen Ereignisses entwickeln kann. Sie umfasst folgende Kernsymptome:

Ein andauerndes Wiedererleben des traumatischen Ereignisses.

Dieses Symptom zeigt sich in unkontrollierbaren, überflutenden Erinnerungen an das traumatische Ereignis (Bilder, Gedanken, Albträume) oder in Handlungen oder Gefühlen, die ablaufen, als würde das traumatische Ereignis sich aktuell wiederholen. Die Konfrontationen mit Reizen, die einen Aspekt des ursprünglichen Traumas symbolisieren oder daran erinnern, sind mit einer intensiven psychischen Belastung und entsprechenden körperlichen Reaktionen verbunden. Etwa an Jahrestagen, beim Anblick von Uniformen, in zellenähnlichen engen Räumen oder bei verhörähnlichen Befragungen fühlen sich viele unserer Klient*innen wieder in die traumatische Situation und den damit verbundenen Schrecken zurückversetzt.

Das Bemühen, Situationen oder Reize, die dem ursprünglichen traumatischen Ereignis ähneln oder mit diesem assoziiert werden, zu vermeiden.

Dies äußert sich in einem bewussten Vermeiden von Gedanken, Gesprächen, Aktivitäten, Orten, Menschen oder Situationen, die an traumatische Inhalte erinnern. Betroffene können sich oft an einzelne Aspekte oder das gesamte traumatische Ereignis, den Zeitraum seines Auftretens oder unmittelbar vorausgehende oder nachfolgende Zeitperioden nicht erinnern. Es kann aber sein, dass Erinnerungen in bestimmten Situationen, Bewusstseins- und Affektlagen wieder zugänglich werden. Häufig besteht ein vermindertes Interesse oder eine verminderte Teilnahme an Aktivitäten, die für die Person früher wichtig waren; ein Gefühl von Entfremdung von sich selbst und von anderen Menschen sowie das Gefühl, keine Zukunft mehr für sich zu sehen. Manche unserer Klient*innen ziehen sich von allen sozialen Kontakten zurück. Oft ist es bei Therapiebeginn eine erste Herausforderung, wieder eine Stunde mit einem anderen Menschen in einem Raum verbringen zu können.

Eine andauernde Übererregung, die vor dem Trauma nicht bestand.

Diese kann sich in Reizbarkeit oder in Wutausbrüchen, in Schlaf- und Konzentrationsstörungen, in übertriebener Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, in Nervosität und erhöhter Schreckhaftigkeit sowie in begleitenden körperlichen Reaktionen ausdrücken. Folterüberlebende erleben Stresssituationen des Alltags oft, als wären sie lebensbedrohlich.

Um lebenslanges Leiden an den Folgen der Folter und darüber hinaus eine Weitergabe der Traumatisierung an die nächste Generation zu vermeiden, muss den Betroffenen so rasch wie möglich Hilfe zukommen.